

FAUST! Herr Schlitzberger, bei der aktuellen Debatte um den Klimaschutz und um die Energiesicherheit fordern viele Experten und Politiker die Abkehr von den Fossilen Energieträgern, wie Kohle, Gas und Öl. Teilen sie die Meinung?Schlitzberger Unabhängig von politischen Meinungen oder Ansichten, geht langfristig kein Weg an der Abkehr von fossilen Energieträgern vorbei, da diese nur begrenzt vorhanden und damit endlich sind.Neben den oft diskutierten Problemen fossiler Energieträger, wie CO2- und Schadstoffemissionen, Umweltbeeinträchtigungen bei Förderung, Aufbereitung und Transport sowie deren teilweise weltweite sehr ungleiche Verteilung, existieren eine Reihe weiterer Gründe für ihre mittelfristige Substitution durch erneuerbare Energieträger. Dennoch: nur ein kontinuierlicher und sanfter Übergang hin zu regenerativen Energien und Rohstoffen – bevor sich die fossilen Rohstoffe durch ihre Verknappung extrem verteuern – kann die Versorgungssicherheit auf einem akzeptablen Preisniveau gewährleisten und damit für wirtschaftliche Stabilität und sozialen Frieden sicherstellen.Bezahlbare Energie und damit die Konkurrenzfähigkeit der deutschen bzw. europäischen Wirtschaft sind die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des technologischen Vorsprungs gerade im Bereich der Umwelt- und erneuerbaren Energietechnik. Da regenerative Energiequellen meist dezentral sind, führt deren Ausbau zu lokalen Investitionen und Arbeitsplatzeffekten. Viele unserer mittelständische Unternehmen sind Weltmarktführer im Bereich der regenerativen Energietechnik aufgesprungen. Letztlich profitiert vor Allem die deutsche Volkswirtschaft, wenn nicht ein gerade kleiner Teil der Wirtschaftsleistung dafür aufgebracht werden muss, im Ausland fossile Rohstoffe für die Energieerzeugung zu kaufen.
FAUST! Manche Menschen in Deutschland behaupten, dass die Atomkraft die Lösung für das CO2-Problem und die Versorgungssicherheit mit Energie ist. Was meinen sie zu dieser These? Schlitzberger:Zunächst existieren bezüglich Atomkraft ähnliche Probleme wie bei den fossilen Energieträgern. Das für die derzeitigen Kernkraftwerke als Brennstoff benötigte Natururan ist ebenfalls nur sehr begrenzt vorhanden. Bei dessen Förderung, Aufbreitung und Transport kommt es in einem nicht unerheblichen Maß zu CO2-Emissionen und Umweltzerstörung. Schließlich wird ein Großteil des in Deutschland benötigten Urans im außereuropäischen Ausland gefördert und muss somit importiert werden. Ob und in wieweit zukünftige Gesellschaften die Risiken und Nachteile der Atomenergie, wie die ungeklärte Endlagerfrage, die Gefahr von Terroranschlägen, die mögliche Verwendung des anfallenden Spaltmaterials für atomare Waffen, das Restrisiko eines GAU´s und Umweltzerstörungen durch die Uranförderung in Kauf nehmen wollen, muss in einem politischen Willensbildungsprozess demokratisch entschieden werden.Dipl.-Ing. Christian Schlitzberger ist Doktorand an der TU Braunschweig und forscht auf dem Gebiet der nachhaltige Energie- und Rohstoffversorgung und -nutzung sowie innovativer Energiewandlungsprozesse.FAUST! Gibt es dennoch Alternativen?Schlitzberger: Technologische Alternativen bezüglich dieser Problematiken stellen so genannte „schnelle Brüter“ sowie Fusionsreaktoren dar. Aufgrund anderer physikalischer Abläufe bei der Kernspaltung in Reaktoren schneller Brüter, würde der vorhandene Kernbrennstoff Schätzungen zur Folge noch für mehrere zehntausende Jahre ausreichen. Allerdings stellt der sichere und zuverlässige Betrieb eines entsprechenden Reaktors eine große technologische Herausforderung dar, weswegen entsprechende Projekte in Deutschland und Frankreich erfolglos abgebrochen wurden. Fusionskraftwerk gelten als relativ sicher, der benötigte Brennstoff ist nahezu unbegrenzt vorhanden, allerdings sind für die Entwicklung dieser Technologie zur Marktreife noch viel Zeit und immense finanzielle Aufwendungen notwendig.FAUST! Welche Optionen sehen Sie denn als Experte für ein nachhaltiges Energiewirtschaften?Schlitzberger:Kurz- und mittelfristig besitzen vor Allem die Bereiche Energieeinsparung sowie Effizienzsteigerung bei Energieerzeugung und Verbrauch ein hohes Potential hin zur Verwirklichung einer nachhaltigen Energiewirtschaft. Zusätzlichen müssen jetzt die technologischen, wirtschaftlichen und politischen Vorraussetzungen und Grundlagen für einen langfristigen, kontinuierlichen Übergang hin zu regenerativen Energieträgern, wie Biomasse, Solarenergie, Geothermie sowie Wasser- und Windkraft geschaffen werden. Ein großes, leider oft unbeachtetes Problem, stellt die derzeitige Netz-Infrastruktur dar. Diese ist in heutiger Form nicht für die Einspeisung großer Mengen sowohl dezentral als auch zentral erzeugten, regenerativen Stroms geeignet. Neue Technologien, wie dezentrale Energiemanagement-Systeme bzw. virtuelle Kraftwerke sowie ein transeuropäisches Hochspannungs-Gleichstrom-Netz in Kombination mit Schatten- und Speicherkraftwerken könnten dieses Problem lösen, erfordern aber auch teils immense Investitionen und damit entsprechende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. FAUST! Herr Schlitzberger, wie lautet Ihr Fazit?Schlitzberger: An einer nachhaltigen Energiewirtschaft geht langfristig kein Weg vorbei! Aufgrund der vielfältigen Vorteile sollte diese auf erneuerbaren Energieträgern basieren. Nur so kann langfristig eine in jeglicher Hinsicht sichere Energie- und Rohstoffversorgung sowie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung ohne Verteilungskonflikte und Abhängigkeiten geschaffen werde. Dabei bilden dezentrale, regenerative Energiequellen die Grundlage für eine demokratisierte Energieversorgung. Diese nachhaltige Energiewirtschaft lässt sich bei unserem hohen Lebensstandard nur durch eine Kombination aus Effizienzsteigerung bei Energieerzeugung und –verbrauch und regenerativen Energiequellen mit einer entsprechenden, geeigneten Infrastruktur erreichen. Um das gewaltige Potential der regenerativen Energiequellen sinnvoll und vor allem wirtschaftlich nutzen zu können, sollten die jeweiligen Nutzungstechnologien untereinander vernetzt und dort eingesetzt werden, wo ihr Output am höchsten ist.FAUST! Herr Schlitzberger, wir danken Ihnen für diese Interview.Das Interview führte William Labitzke