ROTER SALON UMWELT: Biosprit – Die Rettung vor dem Klimawandel?

Ist der Biosprit wirklich unser Klimaretter? Dieser Frage gingen die Jusos bei ihrem ROTEN SALON – UMWELT am 28. Mai 2008 nach. Es gibt ehrgeizige Pläne, die Abhängigkeit vom Erdöl zu senken und den CO2-Ausstoß zu mindern. Für viele Experten ist die Gewinnung von Ethanol aus Zuckerrüben, Weizen, Mais oder Raps die Lösung dieses Problems und soll deshalb schrittweise ausgebaut und staatlich gefördert werden.

Brasilien ist größter "Biosprit"-Produzent.
Zum Thema „Biosprit“ ein Kommentar von William Labitzke.Als „Biosprit“ bezeichnet man Kraftstoffe, die nicht auf der Basis von Erdöl sondern auf der Basis nachwachsender Rohstoffe – also Biomasse – hergestellt werden. Ethanol wird aus stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzen und Biodiesel aus Pflanzenölen synthetisiert. Etwa 80% der Energie, die sich durch Biosprit gewinnen lässt, muss erst einmal in Form fossiler Energie für Dünger, Ernte und Herstellung aufgebracht werden. Zusätzliche Verarbeitungs- und Veredelungsprozesse verbrauchen weitere Energie. In vielen Ländern wird „Biosprit“ deswegen folgerichtig auch „Agrarsprit“ genannt. Da aktuelle Verbrennungsmotoren reinen Biosprit nicht vertragen, kann dieser dem normalen Kraftstoff nur anteilig beigemischt werden.
Weltweiter Vorreiter in Sachen Agrarsprit ist Brasilien. Seit 1975 fördert das Land die Herstellung von Ethanol auf Basis von Zuckerrohr. Auf einer Anbaufläche von 70.000 km² wurden im Jahre 2006 17 Mrd. Liter Ethanol hergestellt. Pläne der Brasilianischen Regierung sehen eine Verzehnfachung der Anbaufläche auf 900.000 km² im Jahre 2025 vor, um den Ertrag auf 200 Mrd. Liter Ethanol zu steigern. Selbst bei diesen ehrgeizigen Plänen könnte Brasilien damit nur 10% des weltweiten Treibstoffbedarfs decken.Durch die Subvention von Biosprit wird ein unnötiger Wettbewerb zwischen den Nutzpflanzen ausgelöst. Die Pflanzen, aus denen Biosprit gewonnen wird, können nur auf nährstoffreichen Böden angebaut werden und verdrängen dort Nahrungsmittelpflanzen. Dies führt zu einer künstlichen Nahrungsmittelverteuerung und -verknappung – Börsenspekulationen mit diesen Nahrungsmitteln treiben die Preise weiter an. Dadurch besteht die Gefahr, dass nicht mehr genug Anbauflächen für die weltweite Nahrungsversorgung bereit stehen. Biokraftstoffe sollten deshalb nur auf Flächen angebaut werden dürfen, auf denen keine Nahrungsmittel oder bedrohte Pflanzenarten wachsen.
Wenn Biosprit wirklich „BIO“ sein soll, dann muss die Ökobilanz stimmen. Biospritvarianten, die bei der Erzeugung mehr Energie brauchen, als sie bei der Verbrennung bereitstellen, verdienen keine Förderung. Sinnvoll wäre dazu z.B. ein Zertifizierungssystem zur Unterscheidung von Agrar- und wirklichen Biokraftstoffen. Zusätzlich könnte eine weltweite Quotierung und Zertifizierung landwirtschaftlicher Flächen (vor allem Plantagen) für Agrarkraftstoffe eingeführt werden. So wäre sichergestellt, dass keine Nahrungsmittelpflanzen verdrängt werden und kein Regenwald gerodet wird.Sinnvoll ist auch, den Biosprit der zweiten Generation schneller auf den Markt zu bringen. Beim „Biomass To Liquid“-Verfahren (BTL) wird ein Kraftstoff aus fester Biomasse synthetisiert. Somit kann die gesamte geerntete Biomasse zur Herstellung von Biosprit verwertet werden, was den Ertrag pro Nutzfläche steigert. Der CO2-Ausstoß kann bei der Verbrennung im Motor um 80 bis 100 Gramm pro Kilometer gesenkt werden.Grundsätzlich müssen wir davon abkommen, Erdöl als Treibstoff für Verbrennungsmotoren zu verwenden. Biosprit kann aber unsere Rohstoffprobleme nicht lösen sondern nur überbrücken. Er kann dazu genutzt werden, die Abhängigkeit vom Erdöl in den nächsten Jahren zu mindern und den Spritpreis zu stabilisieren. Ein Ersatz für Erdöl ist Biosprit aber nicht! Unser Ziel muss es sein, dass immer mehr Menschen in der Welt auf das Auto verzichten, und stattdessen öffentlich Verkehrsmittel benutzen. Das ökologische Bewusstsein der Bevölkerung muss gestärkt werden, um konsequent den Spritverbrauch zu senken. Hier hat die Politik eine Vorbildfunktion, indem sie einen Förderungsschwerpunkt in den Öffentlichen Personennah- und Fernverkehr setzt. Subventionen, die den Individualverkehr fördern, müssen drastisch gesenkt werden.Die Autoindustrie ist aufgefordert, Autos mit sparsamen und effizienteren Motoren zu produzieren. Bei Motorwirkungsgraden von unter 50 Prozent erweisen sich Verbrennungsmotoren als längst veraltert und ökologisch unsinnig. Denn nur die Hälfte der Energie, die benötigt wird, kann bei Verbrennungsmotoren tatsächlich in Bewegungsenergie umgewandelt werden. Deshalb müssen Gesetze verabschiedet werden, die eine Abkehr von Verbrennungsmotoren als Antrieb für Kraftfahrzeuge festschreibt sowie von staatlicher Seite die Forschung im Bereich neuer, alternativer und innovativer Antriebstechnologen gefördert werden, um deren Einführung sowie Serienreife zu beschleunigen. Dies muss ein Anreiz für die Autoindustrie sein, noch intensiver in die Forschung von Brennstoffzellenautos sowie in neuartigen und leistungsstärkeren Akkumulatoren für Elektroautos zu investieren.