Festveranstaltung im Landesmuseum: 90 Jahre Frauenwahlrecht

„Wir feiern heute 90 Jahre Frauenwahlrecht – ein wichtiges Datum im Sinne der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Es ist aber noch viel zu tun!“, leitete Annegret Ihbe die gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und der JungsozialistInnen in der SPD (JUSOS) ein und begrüßte die rund 60 interessierten BürgerInnen im Landesmuseum Braunschweig.

Annegret Ihbe begrüßt alle Gäste im Landesmuseum
Monika Kreiblich, Annegret Ihbe, Nadine Hermann, Inge Wettig-Danielmeier, Prof. Dr. Biegel
Inge Wettig-Danielmeier hält die Festrede
Nadine Hermann bei Ihrer Schlussrede
„Es waren vor allem Sozialdemokratinnen, die voller Entschlossenheit die Gleichberechtigung gefordert haben“, so Ihbe in ihrer Rede. Frauen war es jahrzehntelang verwehrt, am gesellschaftlichen und politischen Leben Teil zu haben. Schritt für Schritt konnten sich Frauen immer mehr Rechte erkämpfen. So wurde 1908 das Versammlungsrecht dahingehend geändert, dass Frauen nun auch Vereinen beitreten oder sich politisch beteiligen konnten. Und erst am 12. November 1918, wurde das Frauenwahlrecht vom Rat der Volksbeauftragten erlassen. Frauen konnten nun endlich das aktive und passive Wahlrecht in Anspruch nehmen. Und so kam es, dass am 19. Januar 1919 erstmals insgesamt 37 Frauen bei den ersten freien Wahlen einen Sitz in der Deutschen Nationalversammlung erlangten. Auch in die Landtage wurden viele Frauen gewählt und sie beteiligten sich aktiv an politischen Entscheidungsprozessen.
Prof. Dr. Biegel ging in seinem Grußwort auf die Geschichte der Frauen im alten Braunschweiger Land ein. So wurde 1662 die Schulpflicht eingeführt, die Mädchen wie Jungen gleichberechtigt die Möglichkeit gaben, einen Schulabschluss zu erlangen. Viele Frauen haben die Geschichte Braunschweigs geprägt – von Minna Faßhauer bis Martha Fuchs. Dennoch ist es so, dass die Verdienste dieser Frauen immer noch nicht in der Geschichte Braunschweigs gewürdigt würden.
„Es erwarteten viele, dass es das Jahrhundert der Frauen würde“, stimmte Inge Wettig-Danielmeier ihre Festrede ein. Frauen erkämpften sich Schritt für Schritt immer mehr einen Platz in der Gesellschaft. Auch parteiintern gelang es den Frauen, immer mehr Entscheidungsmöglichkeiten zu erlangen. Und mit dem langjährigen SPD-Vorsitzenden August Bebel hatten sie einen starken verbündeten, der die Frauenbewegung wie kein anderer mit dem Satz prägte: „Es gibt keine soziale Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.“ Sein Buch „Die Frau und der Sozialismus“ machte damals Millionen von Frauen Hoffnung. Bebel wirkte auch darauf hin, dass die SPD 1891 als erste und lange Zeit einzige Partei das Wahlrecht auch für Frauen forderte und durchsetzte.
Es war eine Zeit des Aufbruches, die mit dem erlangen des Frauenwahlrechts 1918 einen Höhepunkt erlangte, doch dann abrupt mit dem Dritten Reich endete. Frauen wurde nach der nationalsozialistischen Machtergreifung das passive Wahlrecht wieder entzogen. Es herrschte das Bild des tapferen Mannes, der die Familie und das Vaterland ernährte und seiner treuen Frau zu Hause bei den Kindern und am Herd.Dieses Hausfrauenbild ist dann in der Nachkriegszeit jahrelang auch das Leitbild der Adenauer-Ära gewesen. Erst durch die sozial-liberale Regierung unter Willy Brandt konnten wesentliche Fortschritte in der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erzielt werden.Die SPD-Frauen kämpften auch parteiintern gegen ihre Benachteiligung. Ein Erfolg war im Jahr 1972 die Gründung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Als Bundesvorsitzende der AsF von 1981 bis 1992 hatte Wettig-Danielmeier später wesentlichen Anteil an der Verabschiedung der Geschlechter-Quotenregelung auf dem SPD-Bundesparteitag 1988 in Münster. Mindestens 40% eines Geschlechts müssen seitdem auf Ämter und Mandate der Partei vertreten sein.
Nadine Hermann, stellv. JUSO-Bezirksvorsitzende, stellte in ihrer Schlussrede klar, dass noch viel gemacht werden müsse, bis eine wirkliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erreicht sei. „Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse sind auch über 100 Jahre nach den Anfängen der Frauenbewegung immer noch ungleich zugunsten der Männer verteilt“, stellte Hermann fest.Während Frauen mindestens genau so gute Studienabschlüsse haben wie Männer, sind bei den Doktorandinnen nur noch halb so viele Frauen wie Männer vertreten und bei den Professuren machen Frauen nur ein Viertel aus. Auch die „working poor“ in Deutschland sind überwiegend weiblich. Denn Frauen stellen rund 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor.Auch Strukturell ist diese Ungleichheit zementiert, denn das deutsche Steuer- und Sozialsystem ist auf den Mann als Ernährer und Versorger der Familie zugeschnitten. Fraueneinkommen werden noch immer als Zuverdienst behandelt.Es muss noch viel getan werden bis eine wirkliche Gleichstellung von Mann und Frau erreicht ist.