

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte die Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Carola Reimann den prominenten Gast: „Gesine Schwan ist eine hervorragende Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, denn sie versteht es, die großen Zusammenhänge in der Politik kompetent zu deuten und unabhängig von alltäglichen parteipolitischen Konflikten konsequent ihre Positionen zu vertreten.“
Auf die „großen Zusammenhänge“ kam Schwan danach zu sprechen. Nach Ansicht der Präsidentschaftskandidatin gibt es vor allem systembedingte Gründe für die Finanz- und Wirtschaftskrise. „Seit Ende der siebziger Jahre hat sich weltweit eine Politik der Deregulierung etabliert. Negative Folgen entstanden dabei weniger durch die Deregulierung der Gütermärkte, sondern durch die Entfesselung der Finanzmärkte“, erklärte Schwan. Innerhalb weniger Jahre dominierte plötzlich der Finanzmarkt den Gütermarkt, so dass Unternehmen dem Diktat überhöhter Renditeerwartungen ausgesetzt wurden und nachhaltiges Wirtschaften unterblieb. Mit der auseinander klaffenden Schere zwischen Armen und Reichen entstünde dabei ein weiteres Problem: Arme Menschen hatten zu wenig Geld, um Güter zu konsumieren und Reiche hingegen so viel Geld, dass sie nur einen geringen Teil für den Konsum ausgegeben haben, und große Geldsummen damit im Finanzmarkt investiert blieben. So seien die Gütermärkte zunehmend instabiler geworden, die Konkurrenz zwischen Unternehmen stärker.
Auch in Deutschland hätten sich daraufhin die Vertreter der Angebots-Theorie durchgesetzt, die meinten, dass man dem strukturellen Wandel am besten begegne, wenn man die Unternehmen von Regulierungen entfesselt. Doch statt in Produkt-Innovationen und gut ausgebildete Arbeitskräfte zu investieren, hätten die meisten Unternehmen lediglich ihre Kosten gesenkt, um höhere Renditen zu erwirtschaften. „Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat jetzt eine reinigende Wirkung. Denn jetzt wird kritisch hinterfragt, wie das Wirtschafts- und Finanzsystem ausgestaltet werden sollte“, meinte Gesine Schwan. Vielen Menschen sei jetzt klar geworden, dass wir ein Wirtschafts- und Finanzsystem mit klaren Regeln brauchen. Die Präsidentschaftskandidatin sprach sich in diesem Zusammenhang für einen starken, handlungsfähigen Staat aus. Es sei aber auch die Aufgabe der Gesellschaft, Fehlentwicklungen zu begegnen: „Zur Zeit herrscht in Deutschland eine Ellenbogen-Mentalität, die schädlich für das Zusammenleben ist. Statt einer Konkurrenz und Gegnerschaft brauchen wir eine neue Kultur der Gemeinschaft in unserem Land.“